
In der letzten Rede von Friedrich Dürrenmatt verglich er die Schweiz mit einem Gefängnis, in dem die Insassen gleichzeitig auch die Aufseher sind. An diese Rede muss ich denken, wenn ich die Diskussion über den geplanten Parc Adula verfolge. Deshalb stelle ich die Grundsatzfrage: Was ist eigentlich ein Park? Ein Park ist ein eingegrenztes Gebiet, in dem nach bestimmten Regeln gelebt wird. Oft sind Parkanlagen umzäunt mit Ein- und Ausgängen, damit entsprechende Kontrollen stattfinden können. Die brutalsten Parkanlagen liegen in den USA: Dort besichtigen weisse Touristen oft alkoholisierte Indianer, die gegen entsprechende Trinkgelder singen, tanzen oder Tomahawks schwingen.
Die Eröffnung eines Parks kommt deshalb immer auch der Bankrott-Erklärung der einheimischen Bevölkerung gleich: Vergangenheit wird konserviert und auf die Gestaltung der Zukunft wird verzichtet. Als Honorar für diesen Verzicht kassieren die Einheimischen Subventionen vom Staat, Trinkgelder der Touristen, Zinserträge gut meinender Stiftungen und Gelder aus Erbschaften von lieben Verstorbenen im Unterland.
Selbst wenn ein Parc Adula nützlich wäre – er beraubt uns der Eigenständigkeit. Mit der Errichtung des Parks erklären wir das Ende von Vals als freier Gemeinde. Wir verzichten – zugunsten gewisser Regeln – auf unsere Autonomie; wir hören auf, handelnde und planende Individuen zu sein und werden im Sinne von Friedrich Dürrenmatt zu Gefängnisinsassen und Gefängniswärtern gleichzeitig.
Mit der Gründung des Parks laden wir Behörden ein, uns zu betreuen; mit der Betreuung laden wir sie aber auch ein, uns zu bevormunden. Die Kompetenzen unserer Gemeinde werden nämlich nicht mehr dieselben sein wie vor der Errichtung des Parks.
Viele Unterländer unterstützen die Errichtung eines Parks im Kanton Graubünden: Genauso wie sie am Sonntag durch den Zoo flanieren, um sich an den putzigen Äffchen zu verlustieren, werden sie dann auch uns besuchen.
Dahinter steckt der Gedanke, uns Bergler – Indianern gleich – nach strengen Regeln für die Zukunft zu konservieren. Nicht mehr die Bündner bestimmen über ihre Zukunft, sondern die Park-Besucher aus dem Unterland.
Wir Valser haben aufgrund unserer geografischen Lage ein paar Nachteile; aufgrund dieser besonderen Lage ist uns aber die Autonomie erhalten geblieben. Diese Autonomie – oder anders ausgedrückt: Stolz und Selbstwertgefühl – sollten wir zugunsten eines bequemen Park-Modells nicht aufgeben.
Das Park-Modell ist gut gemeint; dieses Modell stiehlt uns aber die Kompetenz, unsere Zukunft in die Hand zu nehmen. Wir Valser brauchen keine Parkwächter. Und wir wollen auch keine werden. Hingegen wollen wir uns die Freiheit erhalten, Ideen und Pläne umzusetzen – zugunsten einer nächsten Generation.
Willkommen in der Gegenwart.
Remo Stoffel
Unternehmer
Quelle: Südostschweiz 9. November 2016
Bildquelle: Südostschweiz